Nele Pollatschek erzählt eine alltägliche Geschichte, die mitten ins Herz unserer Existenz trifft. Aus einer To-do-Liste entsteht ein schillernder Roman darüber, wie schwer es ist, einfach nur zu leben.
31. Dezember. Steuererklärung, Wohnung putzen, Bett für die Tochter zusammenschrauben, Lebenswerk schreiben, mit dem Rauchen aufhören - eigentlich wollte Lars, neunundvierzigjähriger Vieldenker und angehender Schriftsteller, die Lücke zwischen den Jahren dafür nutzen, endlich alles zu erledigen, was in den letzten Dekaden so auf der Strecke geblieben ist. Das neue Jahr, so sein Plan, sollte in einem aufgeräumten Leben beginnen. Der Zeitpunkt dafür schien perfekt: Die Kinder waren im Auslandsjahr, die Frau unterwegs. Keiner da, der stören könnte.
Doch die Woche, in der noch alles zu schaffen gewesen wäre - plötzlich ist sie aufgebraucht. Der letzte Tag des Jahres hat begonnen - mit Nieselregen, wie sonst? Das Haus ist immer noch chaotisch. Das Leben sowieso. Und als Lars den ersten Punkt seiner To-do-Liste ansteuert, fühlt es sich an, als müsse er nicht nur sich selbst, sondern eine ganze Welt neu erfinden.
In ihrem lustigen, tragischen und philosophischen Roman erzählt Nele Pollatschek von Chaos und der Sehnsucht nach Ordnung, von perfekten Kindern und unperfekten Eltern, von Liebe, kleinen Schrauben und großen Werken. Vor allem aber erzählt sie von der Schwierigkeit, sein Leben nicht auf später zu verschieben.
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Käufer-Bewertung: La Calavera Catrina
Es ist Freitag, der 31. Dezember und das Unerledigte soll nicht mit, ins neue, aufgeräumte Jahr. Dreizehn Stichpunkte stehen auf Lars „Zu erledigen“-Liste, für die er weniger als zehn Stunden übrig hat. Jedem der Punkte ist ein Kapitel gewidmet oder auch Zwei. Einiges davon scheint machbar, anderes ambitioniert, ähnlich den Vorsätzen für das neue Jahr und manches scheint unmöglich zu schaffen. Lars guckt kritisch, ja, beinahe vernichtend auf sein Leben, von dem er sich ein anderes wünschen würde, mit einem besseren Ich, einem Ich, das tut, was es sich vornimmt und das Leben nicht auf später verschiebt. Dabei erinnert sich der neunundvierzigjährige Ich-Erzähler an seine Kinder, seine Frau Johanna, ihre Stimme in seinem Kopf und es ist faszinierend, wie Nele Pollatschek philosophisch abschweift, wenn es darum geht, zu putzen oder ein Bett zusammenzubauen. Galante Übergänge berichten davon, das Unmögliche zu schaffen und nicht aufzugeben - und immer schwingt der Stolz mit, am Ende einen Hacken auf der To-do-Liste setzten zu können.
Das Leben und all die unerledigten Sachen. Nele Pollatschek geht der Tragik des Lebens auf humorvolle Weise nach und erzählt vom Sich-neu-erfinden und Alles-beim-Alten lassen, vom Nicht-Hinschauen, vom Alles-oder-nichts-Denken, der Liebe zu Listen, Überforderung, Aufschieberei und der Sehnsucht nach Ordnung, Freiheit und erreichten Zielen. Beim Lesen wechselte mein Gemüt zwischen Bewunderung, für das gekonnte Einfangen des „Vieldenkers“, für das eigene Wiedererkennen und innerliche Kopfnicken, die vielen lustigen Szenen (Nudelsalat, Vater anrufen) und zwischen Überdruss, bei all den Pleumeln, Plodden, Knülpen und Niezen, der Anstrengung, den endlosen Sätzen, da hatte ich manchmal keine Lust mehr, ähnlich wie Lars, der beim fünften Punkt auf der Liste (Geschenke einpacken) am liebsten die Geschichte beenden wollte. Doch ich hatte Mitgefühl für Lars, deren Frau Abstand brauchte, der depressive Gedanken brütet, nach Hilfe schreit, den Druck braucht, um anzufangen. Da steckt eben auch ganz viel Wahrheit drin, ganz viel lockere Schreibkunst, einfach die gute Unterhaltung des Zerdenkens, Weiterschweifens und Umdenkens.
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Käufer-Bewertung: nil_liest
Ich gehöre ganz klar zur Kategorie To-Do-Listenerstellerin! Und wer noch? Lars! Der Protagonist des neuen Romans von Nele Pollatschek. Eigentlich will der End-Vierziger einen Roman schreiben, kommt aber nicht so recht voran und schiebt alles auf und macht Listen.
„und ehe man es sich versieht, sieht man, wenn man jetzt tatsächlich hinsähe, dann müsste man das ganze Leben aufräumen, also sieht man besser nicht hin.“
Vor lauter Listen schreiben, hat er dann leider auch die ganzen Dinge nicht erledigt und schwups ist es Ende des Jahres und Silvester da. Ausgerechnet jetzt krempelt er seine Ärmel hoch, denn eine Sache will er gerne wieder in seinem Leben gerade rücken die er verbockt hat und legt los. Wie geht er es an? Klar! Eine Liste!!! Und die arbeitet er akribisch ab. Wird es schaffen bis Mitternacht? Lest selbst!
Der dünne Romane von knapp 200 Seiten ist herrlich leicht geschrieben, liest sich super und macht doch die großen Fragen des Lebens auf. Chaos, Aufschieberitis hin oder her, der Kern des Wesens zählt und hier hat die Autorin mir ein Highlight des Jahres 2023 gewährt mit ihrem feinsinnigen Humor und der zugleich auftreten Schwermut.
Fazit: 100% Empfehlung!
Prokrastination par excellence
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Käufer-Bewertung: Wortschätzchen
Lars ist 49 Jahre alt und wollte in der letzten Woche des Jahres noch alles schnell erledigen, das schon so lange aufgeschoben wurde. Und dann ist plötzlich der 31. Dezember und die Uhr tickt so laut, dass er es nicht mehr überhören kann. Da bleibt nur noch das Scheitern, also besser gar nicht erst anfangen. Oder doch?
Dieses Buch ist ein wahres Juwel! Es bringt so wunderbar auf den Punkt, dass das Aufschieben immer so viel leichter ist, als endlich in die Puschen zu kommen. Und dass sich das dann immer mehr summiert und Kreise zieht, die so hohe Wellen schlagen, dass man darin nur untergehen kann. Unser Protagonist hat einen unschlagbaren Grund, an nur einem Tag all das zu erledigen, das er ein Leben lang vor sich hergeschoben hat. Den Grund erfahren wir jedoch erst relativ spät, wodurch all die lustigen Stellen plötzlich anders aussehen.
Wir bekommen im Grunde von Lars erzählt, was in ihm vorgeht, was er tut (oder eben auch nicht) und was er noch tun muss. Die Kapitel sind quasi die Punkte auf seiner Liste. Es fängt mit dem Kapite Antworten an. Wie wichtig es ist, versteht man am Ende des Buches. Urkomisch geht es mit dem Aufbau eines Bettes weiter. Hier liebte ich jedes Wort und fand Lars einfach nur unwiderstehlich! Im Laufe der weiteren Kapitel mag man nicht nur lachen, sondern auch immer mal wieder weinen. So langsam ahnt man, dass Lars selbst nicht weiß, wie er sich das Ende wirklich vorstellt. Je aussichtsloser die Lage scheint, desto mehr strampelt und kämpft Lars, und wenn es noch so unsinnig und unlogisch ist.
Nele Pollatschek arbeitet hier gekonnt mit der Sprache. Sie lässt Lars Dinge nur halb sagen, nur halb denken, immer wieder Sätze abbrechen oder auch mittendrin umkehren und neue Wege gehen, ihn Wörter erfinden und die wahnwitzigsten Lösungen erdenken. Das strengt teilweise natürlich enorm beim Lesen an, zeigt aber wunderschön den psychischen Zustand von Lars, seine innere Zerrissenheit und seine Angst. Dass dann irrwitzige Theorien und Lösungen entstehen, ist nur stimmig. Der Hammer jedoch ist, dass aller Irrwitz einen dicken, fetten logischen und sinnvollen Kern hat. Das als Leser zu erkennen, sich selbst im einen oder anderen Satz wiederzuerkennen, das raubt den Atem und sorgt dafür, dass man nicht aufhören mag, zu lesen. Selbst wenn man am Punkt ankommt, an dem man Lars schütteln möchte, muss man einfach sehen, wo er landet.
Wer den Wert eines Ringes, der aus Papier und einer Nieze besteht, zu schätzen weiß, der wird das Buch lieben. Ich befürchte aber, dass viele nur den Kopf schütteln werden und nichts mit Lars anfangen können. Das finde ich schade, denn Lars ist mein Held des Jahres. Sieben Sterne!
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Käufer-Bewertung: Anndlich
Der 49-jährige Lars steht vor einer schier unmöglichen Aufgabe, innerhalb eines Tages möchte er sein ganzes Jahr umkrempeln und seine To-Do-Liste abhaken. Doch ist das überhaupt möglich?
Kleine Probleme ist eine Art innerer Monolog aus Sicht des 49-jährigen Lars. Ein innerer Monolog, der zu Beginn noch witzige Züge hatte, aber mit jeder Seite mehr immer anstrengender und nerviger wurde. Nele Pollatscheks Schreibstil gefiel mir dabei noch ausgesprochen gut, doch inhaltlich wurde das Buch nicht meins.
Die Ansätze gefallen mir auch hier sehr gut, die Darstellung, dass kleine Aufgaben im Haushalt an manchen Tagen kräftezerrender sind als an anderen, kennt mit Sicherheit jeder. Ebenso Wochen, die nicht ganz so einfach wegzustecken sind, aber für Lars sind das keine Momentaufnahmen, sondern sein Leben; seine Grundeinstellung, die nicht durch eine Krankheit geprägt wurde. Ein Leben in dem das Bett aufbauen zu einem solchen Akt wird, dass man meint, Lars würde den Mount Everest besteigen. Chapeau an Johanna, die dies schon einige Jahre aushält, ich könnte und wollte das nicht.
Käufer-Bewertung: Kapitel60
Das Buch Kleine Probleme von Nele Pollaschek, ist im Gallini-Berlin-Verlag erschienen und umfasst ca. 208 Seiten.
Worum geht's?
Lars ist Ende 50 und schafft es nicht Dinge sofort zu erledigen. Darunter leidet nicht nur er selbst, sondern auch seine Frau Johanna und die übrige Familie, die noch aus zwei Kindern besteht. Am Silvestertag kommt er zur Einsicht und will an einem halben Tag quasi alles erledigen, was er bisher immer aufgeschoben hat. Unter anderem das Bett für sein Kind aufzubauen, einen Nudelsalat zuzubereiten, aber auch sein Lebenswerk zu schreiben. Nachdem er an diesem Tag verschlafen hat, erstellt er eine To-Do-Liste mit den Punkten, die er erledigen will. Leider verzettelt er sich bei jeder Aufgabe und versinkt in seinen Gedankengängen.
Das Cover
Auf dem Cover ist ein Graureiher abgebildet. Wahrscheinlich weil in der Mythologie ein Graureiher für einen Neuanfang steht, egal wie aussichtslos eine Situation erscheint.
Schreibstil
Der Schreibstil ist sehr außergewöhnlich, aber sehr sympathisch. Das gesamte Buch liest sich kurzweilig, obwohl es nur um Gedankengänge und Monologe von Lars geht.
Fazit
Man muss Lars als Leser einfach mögen. Er ist ein liebevoller Chaot, dem man gerne zuhört. Mich hat die Geschichte überzeugt und ich kann das Buch guten Gewissens weiterempfehlen.
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Käufer-Bewertung: lesen=liebe
Kleine Probleme von Nele Pollatschek lässt den Leser 12 Stunden mit dem Protagonisten Lars verbringen. Lars ist 49 und er hat das Gefühl, es in seinem Leben noch zu nichts gebracht zu haben. Er hat seiner Frau Johanna viele Versprechungen gemacht und konnte sie bislang nicht einhalten. Lars ist Schriftsteller und sein größtes Ziel ist es, sein Lebenswerk zu schreiben. Das hat er erfolgreich vor sich hergeschoben, so wie vieles andere auch. Lars' Frau Johanna ist schlussendlich verreist, oder besser gesagt ausgezogen. Ausgerechnet am Silvesterabend will Lars das Ruder wieder herumreißen. Er hat sich viel vorgenommen und eine To-Do-List mit 13 Punkten erstellt. Leider hat Lars verschlafen und so bleiben ihm heiße 12 Stunden, um die Punkte abzuarbeiten. Während er die Punkte abarbeitet lässt Lars den Leser an seinen Gedankengängen teilhaben. Man erfährt viel über die Vergangenheit, über seine Kinder und über seine Gefühle. Schlussendlich schafft er es bis Mitternacht seine Aufgaben zu erfüllen und es gibt ein Happy End. Fast zumindest...
Lars ist, obwohl er so chaotisch ist, ein sehr sympathischer Charakter, den man einfach lieben muss. Das hatte sich bestimmt auch Johanna all‘ die Jahre gedacht, aber schlussendlich konnte sie mit der Lebensweise ihres Mannes nicht mehr umgehen. Lars hat ein Problem damit, Dinge anzupacken und zu erledigen. Obwohl es in dem Buch, bis kurz vor dem Schluss, nur einen Schauplatz gibt, liest es sich sehr kurzweilig. Der Schreibstil ist extravagant, trifft aber absolut meinen Geschmack. Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte, spürte ich ein wohlig warmes Gefühl und ich musste lächeln.
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Käufer-Bewertung: Dr. Tobias Kallfell
Wer kennt es nicht, das Gefühl der Prokrastination? Dinge, die man sich vornimmt, werden auf Morgen verschoben und so lange hinausgezögert, dass man kaum mehr zu ihnen kommt. Auch der Protagonist Lars erlebt in dem von Nele Pollatschek verfassten Roman „Kleine Probleme“ ein solches Gefühl. Das Gefühl, noch Dinge erledigen zu müssen, die er bisher nicht geschafft hat: „(…) ich muss verdammt nochmal endlich den Müll runterbringen, ich muss noch herausfinden, warum mein Knie seit einigen Jahren so komisch klackert und ob der Schmerz in der Brust vielleicht doch nur Angina ist, ich muss den Kindern noch ein Erbe erarbeiten, die Regenrinne muss ich noch vom Vorjahresherbst befreien, die Bester-Papa-der-Welt-Tasse muss ich noch verdienen, ich muss noch mein Lebenswerk verfassen“ (S. 15). Er macht sich also daran, eine Liste mit Aufgaben zu erstellen, die er auf dem letzten Drücker noch abarbeiten möchte. Und diese Liste bildet den roten Faden des Werks.
Bei Lars geht es noch über das gewöhnliche Aufschieben von zu erledigenden Dingen hinaus. Er fühlt sich unzulänglich und stellt fest, dass er sich selbst gesteckte Ziele noch nicht erreicht hat. Und das belastet ihn und beschäftigt ihn gedanklich. Ein Gefühl von Unvollkommenheit stellt sich bei ihm ein. Ein schlechtes Gewissen und Selbstmitleid sind die Folge („Wie beschissen ist es bitte, wenn einem alle Türe offenstehen und man trotzdem stehen bleibt. Wenn man keinen Grund dafür hat, so zu sein, aber man ist halt trotzdem so? Wenn alles einfach ist und einfach ist viel zu schwer“, S. 20).
Nicht zuletzt der alltägliche „mental load“ wird Ursache dafür sein, dass sich bei Lars dieses Gefühl einstellt (leider etwa auch Männer darunter?): „Bedingungslose Liebe ist einfach, Zahnarzttermine sind schwer. Das Rezept für die Brille und diese komischen Einaugenpflaster abzuholen ist schwer. Die Antibiotika gegen die Mittelohrentzündung wirklich jeden verdammten Morgen zu geben. Die Wäsche nicht in der Maschine vergammeln zu lassen, donnerstags an den Turnbeutel zu denken, sich daran zu erinnern, dass doch dieses Halbjahr Schwimmunterricht ist, das Kind zum Reiten zu fahren und es um Gottes willen danach wieder abzuholen, das Kind nicht immer irgendwo stehen zu lassen, nicht immer irgendwas zu vergessen, das alles zu kontrollieren, als wäre man Familienvater und nicht nur irgendein Komparse, der sich in diese Rolle verirrt hat und jetzt so tun muss, als wäre sie für ihn geschrieben“ (S. 41).
Was diesen Roman in meinen Augen ausmacht, ist vor allem die sprachliche Gestaltung. Der Stil erinnerte mich oft an Texte von Poetry-Slams: Lange, kunstvoll arrangierte Satzkonstruktionen, klug ineinander verschachtelt, und viele Wortwiederaufnahmen. Eine kreative Sprache, punktuell auch einmal mit amüsanten Wortneuschöpfungen und kursiv eingeschobener wörtlicher Rede („es ist zum Heulen oder zum Fluchen, Fluchen ist Heulen mit Sprache. So oder so ähnlich fluchte ich, weil ich immer so fluche, wenn ich etwas aufbauen muss, Johanna sagt dann ach Walter Benjamine doch nicht wieder so rum, und ich sage ich dachte, du Marxt das?, und manchmal sagt sie dann ich mag dich, mein Engels oder freier deutscher Lars, bau auf, und manchmal lehnt sie sich an mich, sodass ihre Haare mich ganz leicht am Hals kitzeln, und dann haucht sie J’Adorno.“, S. 33).
Auffällig sind auch Parallelismen und Parenthesen: „Menschen können sich eben nicht grenzenlos konzentrieren, Menschen sind eben nicht immer achtsam, Menschen können sich nicht alles merken. Ziffern zum Beispiel können sich Menschen überhaupt nicht gut merken“ (S. 35); „In der Küche müsste man dann aufräumen, im Wohnzimmer müsste man aufräumen, im Wohnzimmer müsste man aufräumen, oben im Arbeitszimmer unterm Dach, wo man eigentlich ein Lebenswerk verfassen will, müsste man ganz ordentlich aufräumen, im Schlafzimmer, was mal ein gemeinsames Schlafzimmer war, aber schon lange kein gemeinsames Schlafzimmer mehr ist, muss man bestimmt mal so richtig aufräumen, und eh man es sich versieht, sieht man, wenn man jetzt tatsächlich hinsähe, dann müsste man das ganze Leben aufräumen“ (S. 52).
Kurzum: Die Syntax ist abwechslungsreich, spielerisch und originell. Wer so etwas mag, der wird sehr viele Passagen mit Genuss lesen. Ich glaube, dass der Text vor allem bei Lesungen eine tolle Wirkung entfaltet. Man findet viele stilistische Mittel, die man vom Poetry-Slam kennt. Ich könnte in dieser Rezension so viele Stellen zitieren, die klug, weise und kunstvoll gestaltet worden sind, das würde den Rahmen sprengen. Die vielen angeführten Zitate sollten aber meiner Meinung nach ein erstes exemplarisches Bild vom Erzählstil und von der Sprachgestaltung vermitteln. Häufig handelt es sich um einen aufzählend-reihenden Stil, der sehr rhythmisch daherkommt.
Doch bei all der Satzakrobatik sollte der Inhalt nicht zu kurz kommen. Nach meinem Eindruck werden viele Themen lose-assoziativ miteinander verkettet, das macht sich vor allem im Mittelteil des Buchs bemerkbar. Das mag der ein- oder andere Leser als anstrengend empfinden. Stellenweise besteht die Gefahr, dass die vielen künstlerisch durchgeformten Sätze vom Inhalt ablenken. Nicht immer ist es einfach, die Konstruktionen gedanklich zu durchdringen und inhaltlich aufzunehmen. Konzentration ist gefordert, das sollte man mögen! Man wird mit diesem Buch in meinen Augen eher intellektuell als emotional angesprochen. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass die chaotisch-sprunghafte, „bewusstseinsstromartige“ Gestaltung des Inhalts, die man punktuell findet, das gedankliche Chaos von Lars widerspiegeln soll. Es gibt beispielsweise. Textstellen, in denen Lars beginnt, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Und begleitend dazu werden noch Dialogfetzen versatzstückartig als Erinnerungsanker in die Darstellung integriert.
Was an vielen Stellen durchscheint und mich gut unterhalten hat: Ein launiger, amüsanter Erzählton. Der Aufbau eines Betts durch den Ich-Erzähler sowie das Ausfüllen der Steuererklärung werden z.B. herrlich humorvoll dargestellt („Und dann ist da wieder ein Beleg, von dem man nicht weiß, was man damit anfangen soll, und das ist dann ein Beleg zu viel. Man fängt an zu suchen, nach der Rechnung, nach dem Postidentverfahren, nach dem notwendigen Zertifikat, nach irgendwas Bürokratischem, das man einfach nicht versteht, und man will Johanna fragen, und sie ist nicht da, überhaupt nicht da, und dann weiß man auch nicht weiter, und dann sieht man die Umschläge und dann den Bildschirm und die E-Mails, all die E-Mails, den Spam und die Erinnerungen und die Mahnungen und die Erinnerungen an Mahnungen, den Berg, den ganzen Berg, den ganzen beschissenen Berg. Und das ist dann zu viel. Das ist einfach zu viel“, S. 110). Die Reinigung einer Regenrinne wird zu einem halsbrecherischen Abenteuer. Und auch die Darstellung des wortkargen Telefonats von Lars mit seinem Vater sowie die Improvisation eines Nudelsalats unter Zeitdruck fand ich sehr unterhaltsam („Ich weiß nicht, wie viele Nudeln einen Salat machen, oder wie viele Nudeln man aus einem Salat entfernen kann, bis er aufhört, ein Salat zu sein, aber eines weiß ich ganz sicher: Vier Nudeln sind kein Salat“, S. 170).
Nele Pollatschek beweist an vielen Stellen ein ungeheures Talent für die (amüsante) Beschreibung treffender Alltagsbeobachtungen, für Situationen, die wohl jeder Leser/ jede Leserin kennt. Der Text ist originell, lebensklug und einfallsreich, in sprachlicher sowie in inhaltlicher Hinsicht. Von mir gibt es dafür 5 Sterne!
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Nele Pollatschek, 1988 in Berlin geboren, hat Englische Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge und Oxford studiert und wurde darin 2018 promoviert. Für ihren Debütroman Das Unglück anderer Leute (2016) erhielt sie den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis (2017) und den Grimmelshausen-Förderpreis (2019). Es folgte das Sachbuch Dear Oxbridge. Liebesbrief an England (2020). Nele Pollatschek schreibt für die Süddeutsche und erhielt 2022 den Deutschen Reporterpreis.
EAN / 13-stellige ISBN | 978-3869712406 |
10-stellige ISBN | 3869712406 |
Verlag | Galiani, Verlag |
Sprache | Deutsch |
Editionsform | Hardcover / Softcover / Karten |
Einbandart | Gebunden |
Erscheinungsdatum | 07. September 2023 |
Seitenzahl | 208 |
Format (L×B×H) | 21,1cm × 13,3cm × 2,3cm |
Gewicht | 318g |
Warengruppe des Lieferanten | Belletristik - Erzählende Literatur |
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