Ein Familienurlaub auf Lanzarote, der zum Albtraum wird...
Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater - in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femés. Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen - etwas so Schreckliches, dass er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute.
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Käufer-Bewertung: Winfried Stanzick
Juli Zeh, Neujahr, Luchterhand Verlag 2018, ISBN 978-3-630-87572-9
Henning ist ein moderner Mann. Ein Mann, für den Gleichberechtigung nicht nur ein wohlfeiler Slogan ist. Er, der seinen Beruf als Lektor eines Sachbuchverlags liebt, hat sich zusammen mit seiner Frau Theresa für ein Familienmodell entschieden, wie es nach wie vor nur wenige praktizieren. Beide haben sie ihre gut dotierten Arbeitsstellen halbiert und sich auf dem Dachgeschoß ihres Hauses ein Homeoffice eingerichtet, in dem sie zusätzlich (unentgeltlich natürlich) arbeiten können, wenn die Kinder schlafen. Sie kümmern sich im gleichen Maß um die Familie und die Kinder. Eigentlich sind sie zufrieden mit ihrer jeweiligen Situation.
Doch Henning geht es zunehmend schlecht. Sein Leben überfordert ihn. Familienernährer soll er sein, Ehemann und begehrenswerter Liebhaber und liebevoller Vater seiner Kinder. Jede dieser Rollen möchte er gerne füllen und findet sich in keiner wirklich und befriedigend wieder. Seit sein zweites Kind, seine Tochter Bibbi vor etwa zwei Jahren geboren wurde, leidet er unter schweren Angstzuständen und Panikattacken. Später, als das Buch zu Ende ist, wird dem Leser deutlich werden, warum diese Begegnungen mit dem, was er „ES“ zu nennen gelernt hat, nicht vorher begonnen haben.
Seine Frau Theresa versucht ihm zunächst aufrichtig zu helfen, sie probieren Vieles, doch dann gibt sie auf. Henning ist mit seinen Attacken allein und verbirgt sie.
„Manchmal geht er ins Bad und guckt in den Spiegel. Unfassbar, dass man ES nicht sieht. Während das Herz einen irrsinnigen Tanz mit tödlichen Pausen tanzt, sieht sein Gesicht aus wie immer. Natürlich merkt Theresa, was mit ihm los ist. Aber sie sagt nichts dazu. ES ist zu Hennings Privatsache geworden.“
Vielleicht hofft er durch den Urlaub, den er heimlich im Internet über Weihachten und Neujahr 2017/2018 für seine Familie gebucht hat, davon loszukommen, wieder Kraft zu schöpfen. Schon während er wochenlang nach Unterkünften auf Lanzarote sucht, erfasst ihn eine seltsame Erregung.
Theresa erklärt sich nach einigen Widerständen einverstanden und so verbringen sie die Weihnachtstage in einem kleinen „Scheibenhaus“ in Playa Blanca. Doch Erholung ist das alles nicht. Die Kinder müssen dauernd beschäftigt werden und nur spät am Abend kommen die Eheleute zu sich selbst.
Auch ein spontan wenige Tage vor Silvester gebuchtes Silvestermenü stellt sich als Flop heraus, zumal Theresa dort mit einen Franzosen tanzt, und heftig mit ihm flirtet.
Nach einer unruhigen und kurzen Nacht steht Henning am Neujahrsmorgen sehr früh auf und fährt mit einem geliehenen Fahrrad den steilen Anstieg nach Femes hinauf. Er hat kaum gefrühstückt, der Sekt von Silvester steckt ihm noch in den Knochen und er hat weder Proviant noch etwas zu trinken mitgenommen.
Auf der Fahrt blickt er in Gedanken zurück auf die Zeit, seit ES ihn besucht. Er weiß, es ist verrückt, kaum zu schaffen. Doch irgendetwas, was während der Fahrt immer stärker wird, treibt ihn nach oben, als hoffe er dort etwas zu finden, was ihn rettet.
Als Henning dann endlich, nach langer Qual das 500 m hoch gelegene Femes erreicht, da trifft es ihn wie einen Schlag und er erkennt, dass er schon einmal hier gewesen ist. Er schiebt sein Fahrrad bis zu einem hoch über dem Ort gelegenen Haus, das ihn magisch anzieht.
Dort oben, so erkennt er, war er einmal mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Luna im Urlaub, zu der ihn bin heute eine ganz besonders enge, aber auch komplizierte Beziehung verbindet. Und er erinnert sich daran, wie sich damals etwas ganz Schreckliches zugetragen hat - so schlimm, dass er es bis heute verdrängt hat, bis ES nach der Geburt von Bibbi wieder hoch kommt. Was damals geschehen ist, von Juli Zeh über weite Strecken des Buches gekonnt beschrieben, verfolgt ihn bis heute.
Juli Zeh beschreibt in einem gut aufgebauten Familienroman, wie stark unsere Kindheit unser Lebensgefühl bestimmt. Ein Roman, der in der zweiten Hälfte zu einem regelrechten Thriller sich verwandelt, den man atemlos verschlingt. Gekonnt und fast spielerisch arbeitet sie immer wieder mit verschiedenen Ebenen von Zeit und Wahrnehmung. Ihr Psychogramm einer modernen und emanzipierten Ehe und Familie geht unter die Haut, weil es so nahe am eigenen Leben sich abspielt.
Auch mit „Neujahr“ zeigt Juli Zeh wieder neu, dass man einen unterhaltsamen Roman schreiben kann, ohne die literarische Qualität aus dem Auge zu verlieren. Ich wünsche mir, dass viele berufstätige Familienmänner und – frauen dieses Buch lesen, sowohl zur Unterhaltung, als auch als Anregung, öfter einmal darüber nachzudenken, wie ihre Kindheit und ihre vielleicht ungeklärte Beziehung zu den Großeltern ihrer Kinder ihr eigenes Leben umschattet und behindert.
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Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Promotion im Europa- und Völkerrecht. Längere Aufenthalte in New York und Krakau. Schon ihr Debütroman »Adler und Engel« (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Heinrich-Böll-Preis (2019). Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Ihr Roman »Über Menschen« war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021. Zuletzt erschien bei Luchterhand der zusammen mit Simon Urban verfasste Bestseller »Zwischen Welten«.
EAN / 13-stellige ISBN | 978-3630875729 |
10-stellige ISBN | 3630875726 |
Verlag | Luchterhand Literaturvlg. |
Sprache | Deutsch |
Editionsform | Hardcover / Softcover / Karten |
Einbandart | Gebunden |
Erscheinungsdatum | 10. September 2018 |
Seitenzahl | 192 |
Format (L×B×H) | 22,1cm × 14,4cm × 2,3cm |
Gewicht | 354g |
Warengruppe des Lieferanten | Belletristik - Erzählende Literatur |
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Johannes Wagner
Liebes Buch7 Team, schön dass es Euch gibt. Jetzt macht Bücherbestellen wieder Spaß!
Stefan A.
Also Ihr Engagement und Service berühren mich echt, vor allem diese prompte Kommunikation. Das hat heute schon Seltenheitswert!
Urlsula G. aus Heidelberg
Seit dem Online-Artikel in der Süddeutschen heißt es bei mir: Wenn es um neue Bücher geht, dann bestelle ich ausschließlich bei buch7.de. Mir ist wichtig, dass andere Menschen denen es vielleicht nicht so gut geht wie mir Unterstützung finden.
Helmut L.
Sie werden enormen Zulauf bekommen, da bin ich mir sicher.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich Ihren pragmatischen Idealismus bewahren und noch viel mehr Gutes tun können, so wie Sie sich das erhoffen.
Claudia B. aus Pfaffenhofen